Berichte von 06/2016

Dans la garderie Keur Mame Agnes

19Juni2016

Seit langem haben wir uns nicht mehr bei euch gemeldet, aber das heißt nicht, dass wir nichts erlebt haben. Die letzten zwei Wochen verbrachten Lena und ich jeweils in unterschiedlichen Kindergärten in Thies, da in unseren Grundschulen bereits Prüfungen anstanden und wir dort nun nicht mehr unterrichten konnten. Die Zeit im Kindergarten war sehr eindrucksvoll und komplett anders als in der Schule. Ich erzähle euch nun meine Eindrücke im Kindergarten Keur Mame Agnes, da es im Kindergarten St. Anne, in dem Lena arbeite, wieder komplett anders zuging. Sie wird euch dann noch dazu berichten.

Vorerst waren wir ein wenig enttäuscht, da „Kindergarten“ ja gar nicht in unser Praktikumsgebiet fällt, uns aber keine andere Wahl blieb, da alle Schulen Mitte Juni schließen und in die großen Sommerferien gehen. Das liegt auch am Beginn der „Regenzeit“ (naja bei uns regnete es genau 1 Mal vor drei Wochen für 10 Minuten) es wird natürlich auch von Tag zu Tag heißer und die Mosquitos vermehren sich.

Im Kindergarten läuft es jedoch keineswegs so chillig ab wie in Deutschland. Hier gibt es feste Fächer sowie einen festen Stundenplan. Der Stundenplan bei meinem Kindergarten Keur Mame Agnes sah ungefähr so aus: Musikalische Erziehung, Sprache, Gestaltung, Pause, Wissenschaft, Erzählen lernen (zB Märchen) , Moral/ religiöse Erziehung oder Sozialkunde oder Gesundheits-Erziehung und anschließend das Durchführen einer gemeinsamen Aktivität oder eines Spiels. Der Kindergarten ist also mehr mit einer Schule zu vergleichen, es gibt keinerlei Spiele um sich selbst zu beschäftigen oder andere Materialien, mit denen die Kinder spielen können. Alle Kindergärten werden in drei Gruppen eingeteilt. Es gibt die Petite Section (Kleine Kinder), die Moyenne Section ( Mittlere Kinder) und die Grande Section (Größere Kinder/ Vorschulkinder). Untereinander sind alle drei Gruppen dann nochmal in drei Untergruppen aufgeteilt, die dann unterschiedliche Namen tragen. Während der zwei Wochen war ich meist immer in der in der Grande Section, also bei den Vorschulkindern dabei, da diese auch schon mehr oder weniger gut französisch sprechen, weil sie sich ja auf das Schulleben auf französisch vorbereiten müssen. In der Grande Section selbst gab es 55 Kinder, die alle in einem einzigen mini-kleinen Zimmer unterbracht sind. Alle Kinder setzen sich dann nebeneinander auf einen Teppich, da es nur 10 Stühle gibt. Die morgendliche musikalische Erziehung bzw Animation um die noch müden Kinder zu motivieren, findet zusammen mit allen drei Untergruppen der Grande Section statt. Die zwei Kindergärtnerinnen Rachel und Maryam, die beide übrigens auch nicht älter als 25 sind, und mit denen ich mich supergut verstand, packten ihre Trommeln (tamtams) aus und trommelten wild drauf los. Sofort springen dann wirklich alle Kinder auf und tanzen und zappeln wie verrückt um die Wette. Dies ist wirklich die Lieblingsbeschäftigung von allen afrikanischen Kindern ( und auch noch Jugendlichen, siehe Discos:D). Alle Kids haben schon das perfekte Rhythmusgefühl und vor allem die Jungs lieben Bauchtanz. Sie tanzen wirklich schon wie die Männe in den Disos. Sobald ich dann manchmal mein Handy zückte, um die Kinder beim Tanzen abzulichten waren alle gleich Feuer und Flamme. Ich war von 55 Kindern umringt, die alle ihren Kopf in die Kamera hielten und sie uuuunbedingt fotographieren lassen wollten. Manchmal war es für mich echt schwierig nicht das Gleichgewicht zu verlieren, da alle an mir zerrten. Bei der ausgiebigen Tanzsession, bei der auch wir Erzieherinnen immer kräftig mit-dance-ten kleben sich dann wieder tausende Kinder an dich und schlagen und kratzen sich gegenseitig, da jeder meine Hand beim Tanzen halten will. Die Kinder sind schon sehr aggressiv und schlagen sich bei jeder Kleinigkeit miteinander. Das hat natürlich auch seine Gründe,aber dazu später. Nach der Animation werden die Kinder in die drei Untergruppen aufgeteilt, eine Gruppe lernt das Schreiben und hat kleine Holztische und Stühle zur Verfügung. Ganz davon abgesehen, dass der Platz wirklich vieel zu klein für die Anzahl der Kinder ist und sich die Kinder beim Schreiben die ganze Zeit mit dem Elbogen ins Gesicht hauen. Die andere Gruppe wird nach draußen verfrachtet und hat währenddessen keine wirkliche Beschäftigung. Die Kinder sind natürlich trotzdem leicht zu begeistern, und amüsieren sich auch ohne Spielsachen oder Spielplätze im „Pausenhof“ ( nicht größer als 17 qm) Meistens bekleben sie sich mit den Tattoos, die bei den Bonbons dabei sind und machen daraus einen Riesenspaß. Die dritte Gruppe setzt sich auf den Boden an die Wand des Klassenzimmers und lernt das Schreiben auf kleinen Holztäfelchen. ( Die es auch in den Schulen gibt). Die Materialien sind wie bereits erwähnt leider sehr begrenzt. Für die Schreib-Gruppe gibt es meist nicht genügend Bleistifte, das jedes Kind schreiben kann. Außerdem gab es nur einen einzigen Radiergummi und eine einzige Schere für 55 Kinder und keinen einzigen Spitzer. Die Stifte werden vor den Augen der Schüler mit riesigen Cutter-Messern gespitzt. Dies ist natürlich wirklich mega schade, da die Schüler durch den Platzmangel und das ständige Ausleihen von Stiften und Radiergummi schlecht konzentrieren können. Trotzdem hört sich das jetzt alles sehr negativ an. Da es die Kinder natürlich nicht anders gewohnt sind, sind sie trotzdem wahnsinnig fröhlich Kinder. Nur für mich war es am ersten Tag schlimm anzusehen. Viele Kinder haben beim Schreiben natürlich unterschiedlichen Förderbedarf. Da es jedoch so viele Kinder sind, die zum Jahresende ihr Schreibheft fertiggestellt haben müssen, bleibt da keine Zeit sich um Nachzügler zu kümmern. Alle Kinder, die im Schreibheft mangelhafte Leistungen gebracht haben, wiederholen dann noch ein weiteres Jahr im Kindergarten, bevor sie eingeschult werden. Das waren dieses Jahr in unserer Kindergartengruppe verhältnismäßig sehr viele Kinder, was ich sehr schade fand. Bei manchen Kindern bin ich mir auch nicht sicher, ob sie nicht auf einer Förderschule besser aufgehoben wären, da sie mir geistig zurück erscheinen. Leider gibt es solche Einrichtungen hier gar nicht. Es bleibt also nur die Möglichkeit, das Kind auf die reguläre Schule zu schicken und es in den höheren Klassen mit höherem Niveau dann wieder abzumelden. Es gibt hier allgemein sehr viele Menschen, die nur bis zu Grundschule oder nur bis einer bestimmten Klasse im College zur Schule gingen. Viele wählen stattdessen einen landwirtschaftlichen Beruf oder werden Haushälterin. Während dem Schreiben kümmerte ich mich dann um alle Kinder und war ständig dabei, den Kinder die misslungenen Buchstaben wieder aus dem Heft zu radieren oder versuchte ihnen die Buchstaben nahezulegen. Das war wirklich anstrengend, da ständig ein neues Kind kommt, das einen Mitschüler verpetzt. Außerdem ist immer ist jemand verletzt, der verarztet werden muss, Kinder weinen und wollen getröstet werden, streiten, müssen aufs Klo, bekommen ihre Hose nicht zu, wollen etwas trinken, suchen ihren Stift, die Nase müsste mal wieder geputzt werden (zum Glück haben Europäer Taschentücher, weil Afrikaner benutzen die nicht so gerne ) und so weiter.... es gibt immer was zu tun,ich glaube man kann es sich denken. Einige konnten schon perfektes Französisch sprechen aber es gab natürlich auch Viele, die mich immer auf Wolof zutexteten. Irgendwann konnte ich mir dann denken, welches der oben genannten Problemchen  gerade anlag. Für die Kindergärtnerinnen hier gibt es einen viel einfacheren Weg, die Kinder immer zur Ruhe zu bringen, den ich aber niemals im Leben wählen wollte und auch nicht tat. Alle Kindergärtnerinnen (wie auch die Lehrer der Schulen)  schlagen die Kinder zur Bestrafung. In der Schule habe ich es zum Glück nur vereinzelt beobachtet, doch im Kindergarten war es schon sehr schlimm. Die Kinder werden mit einem Stock auf dem Hinterkopf gehauen oder auch nicht selten mit dem Gürtel gepeitscht. Oft ermahnt sie Kindergärtnerin keinen einzigen der Schüler, sondern sie geht einfach nach der Reihe zu jedem Einzelnen und verpasst ihm einen Schlag. Dadurch schlagen sich die Kinder auch immer gegenseitig und es gibt am laufenden Band Verletzte. Oft schlägt die Kindergärtnerin auch so oft zu, bis das Kind nur noch wimmernd in der Ecke kauert. Ich frage mich was das bringen soll. Einen pädagogischen Hintergrund gibt es da für mich nicht. Oft weinen ganz viele Kinder sehr lange aber niemand schenkt ihnen Aufmerksamkeit. Dann hören sie von selbst auf, weil sie merken, dass es sinnlos ist und sie von niemanden getröstet werden. Immer wieder ermutigten mich die Erzieher die Kinder ebenfalls zu schlagen, da sie es nicht schlimm finden. Natürlich kam das für mich auf keinen Fall in Frage und die Kinder hörten ja auch trotzdem auf mich. Die lag aber auch an dem großen Respekt, den die Kinder hier noch vor Erwachsenen haben. Außerdem war ich mit meiner weißen Haut und meinen blonden Haaren natürlich etwas besonderes. Im Kindergarten fiel ich damit viel mehr aus als bei den Älteren in der Schule. Viele ganz kleine Kinder hatten noch nie einen „Weißen“gesehen und wollten ständig meine Haut anfassen oder meine Haare streicheln. Ich genoss natürlich jede einzelne Sekunde mit den Kindern, auch wenn es manchmal bisschen viel auf einmal war. Außerdem bin ich das ja als Einzelkind eher weniger gewohnt. So viele Kinder waren so liebebedürftig und ich übernahm hier im Kindergarten ein bisschen die "Tröster"-Rolle. Ich finde es echt schade, dass die Erzieherin hier keinerlei Vertrauensperson, sondern nur eine strenge „Aufpasser“-Funktion hat. Auch in den Familien mit vielen Kinder rückt manchmal das individuelle Kind mit den unterschiedlichen Bedürfnissen leider bisschen in der Hintergrund. Zumindest war das die Vermutung von Lena und mir, da wir schon öfter verschiedene Szenarien in Familien beobachten konnten. Wenn man der Mama nach einem harten Kindergartentag erzählen möchte, dass man geschlagen wurde, wird man zu Hause nur noch mehr verhaut. Die Kinder sind es natürlich gewohnt und empfinden es gar nicht wie ein Trauma, da es jedem einzelnen Kind so geht und damit fertig werden muss.

Nach dem vielen Schreiben gibt es eine Pause. Alle Kinder nehmen in ihren Rucksäcken von zu Hause kleine „Gouties“ mit. Diese Gouties bestehen immer aus: 10000 von Tüten Chips und Keksen, sowie süße Fruchtsäfte aus Plastiktüten. Also wirklich NULL Vitamine und Unmengen von Süßigkeiten. Ich wusste gar nicht, dass so kleine Persönlichkeiten dazu fähig sind so viele Chips auf einem Schlag zu verspeißen. Vom entstehenden Müll ist gar nicht zu reden, gerade hier im Senegal, wo das Müllproblem sowieso schon so groß ist. Diese Tüten gibt es an jedem kleinen Straßenkiosk sehr billig zu kaufen. Das gesündeste, was hier ein Kind jemals dabei hatte war ein Nutella-Baguette.Verrückt :D Die Pause zieht sich dann fast eine Stunde, in dieser Zeit dürfen die Kinder im Hof spielen.

Da ich in den letzen zwei Wochen vor den Ferien hier war, lief nicht mehr alles nach Stundenplan ab. Alles wurde lockerer genommen und alle Kinder waren nur damit beschäftigt ihr „Schreibheft“ fertigzustellen. ( das heißt bestimmte Wörter selbstständig schreiben zu können) Trotzdem durfte ich immer wieder kleine Stunden zusammen im Sitzkreis selbst übernehmen und mir eigene Spiele für die Kinder einfallen lassen. So übernahm ich beispielsweise auch das Fach „religiöse Erziehung“, was dann gleich perfekt in mein Praktikum passte. Jedoch sind in diesem Kindergarten sehr viele Muslime. Ich behandelte dann Themen wie „Teilen“, die Jeden betreffen. Hat mega Spaß gedacht, sich selbst etwas neues für die Kinder zu überlegen und für die Kinder war es auch mal etwas abwechslungsreicher.

Vieles klang auf dem ersten Blick sehr negativ, jedoch war es trotzdem eine wunderschöne Zeit im Kindergarten. Es ist eben deren Kultur, die man akzeptieren muss, und auf die man sich ein Stück weit einlassen muss, um aktiv im Kindergarten teilzunehmen. Somit gewöhnt man sich auch mit der Zeit, die Schläge zu beobachten und an die schwierigen Verhältnisse und Gegebenheiten. Trotzdem sind die Kindergärtner keineswegs schlechte Menschen, sondern privat ganz liebenswerte und tolle Mädels, mit denen ich mich super verstand. Schon immer läuft es so ab, die Kinder sind daran gewöhnt und den jungen Kindergärtnern und Auszubildenden wird wieder genau dieser Umgang weitergegeben. Die Kinder sind natürlich viel härter im nehmen, aber ebenfalls teilweise so frech und naseweiß wie in Deutschland aber sie zauberten mir jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht und waren unheimlich süß. Ich hätte nie gedacht, dass mir diese Arbeit so Spaß machen könnte. Ich werde alle Erzieherinnen mega vermissen, den das Klima war wirklich super und auch die Leiterin des Kindergartens war unheimlich nett und ließ mich viele Dinge selbst in die Hand nehmen. Zum Abschied gab es für den Kindergarten natürlich jede Menge Stifte, Spiele und Materialien geschenkt, was mich unheimlich freut und dem Kindergarten schon mal sehr weiterhilft.

An alle Muslime:Ramadan Karem !! Der Ramadan hat ja seit längeren angefangen und wir erleben ihn hier im muslimischen Land Senegal natürlich hautnah mit. Das ist super interessant für uns und wir sind echt fasziniert. In allen Restaurants und Läden, sowie in unserem Quartier ist nun noch lautstärkere muslimische Musik zu hören. Meine eine Kindergärtnerin war auch Muslime und ich beobachtete sie fasziniert dabei, wie sie es eisern schaffte den ganzen Tag nichts zu Essen und nichts zu trinken. Erst ab 19:40 bei Sonnenuntergang fangen die Muslime an zu essen. Erst gestern erlebten wir eine sehr gemeinschaftliche tolle Geste. Wir fuhren mit einem 7 Place ( 7-Sitzer-Bus) von Dakar heim. Um 19:30 verteilte ein Muslim im ganzen Bus Datteln und informierte und Mitfahrer minütlich wie viele Minuten noch bis zum gemeinschaftlichen Verspeißen blieben. Er war sehr großzügig und es war auch für uns spannend die Zeit runterzuzählen. Spätabends sieht man überall draußen mit auf den Straßen die Muslime gesellig bei ganz viel Essen zusammensitzen. Dies ist wirklich ein schöner Anblick.

Die EM verfolgen wir hier übrigens ebenfalls. Unsere Gastfamilie ist fast größere Fußballfans als wir. Sie verfolgen jedes einzelne Spiel und kennen den Werdegang eines jeden Spielers. Wenn dann zwischendrin während eines Deutschlandspiels 10 Minuten der Strom ausfällt ist das wirklich halb so schlimm.

Ab Dienstag wartet eine spannende Zeit in der Casamance auf uns !! Seit gespannt.

TR