Berichte von 05/2016

Bienvenue au Senegal - Besuch aus Deutschland

29Mai2016

Nach einigem Schulstress, dem Fertigstellen des Praktikumsberichts und den Visumsproblemen schaffe auch ich es an einem späten Sonntagabend wieder einmal mich auf unserem Blog zu Wort zu melden. Obwohl ich nicht an der Pilgerwanderung nach Popenguine teilgenommen habe, habe ich in der letzten Woche doch auch einiges erlebt. Pünktlich zur Halbzeit unseres Praktikums kündigte sich nämlich Besuch aus dem verregneten Eichstätt an. 

Vorletzten Mittwoch konnte ich nämlich meinen Freund endlich nach knapp 3 Monaten wieder in die Arme schließen. Leider war es verboten ihn in der Empfangshalle abzuholen uns so musste er erst einmal an unzähligen Schwarzen, die ihm ein überteuertes Taxi, oder senegalesische Simkarten anboten, vorbei. Zum Glück fanden wir uns trotzdem sofort und auch unser Taxifahrer, der beim Warten bei 25 Grad fast erfroren wäre, war darüber sehr erleichtert. Bei der Wiedersehensfreude wurde dann auch das klapprigeTaxi, das natürlich erst mal nicht ansprang zur Nebensache. In Thiès angekommen saß die ganze Familie schon wie auf Kohlen und begrüßte den dritten Toubab in der Familie herzlich. 

Weil am Donnerstag günstigerweise der Religionsunterricht ausfiel, konnte ich Jonas in Ruhe meine vorübergehende Heimatstadt zeigen. Was mich allerdings selbst sehr verwunderte war, dass die Senegalesen auf der Straße, aber auch auf dem Markt total anders reagieren, sobald sie eine Weiße in Begleitung eines Mannes sehen. Wir wurden kaum angesprochen und die Angebote unnötiges Zeug zu kaufen hielten sich in Grenzen. Nach dem Marktbesuch und dem Standtspaziergang mussten wir zwar den Deutschen erst einmal mit reichlich Wasser aus dem Supermarkt eindecken, aber dennoch kam Thiès auch bei gut 30 Grad sehr gut an. Nach einer Stärkung mit einem typisch senegalesischen Gericht, konnte man sich dann auf der Dachterasse auch den ersten Sonnenbrand einfangen.

Da Freitag bei mir wieder Schule angesagt war, beschloss ich Jonas einfach mitzubringen, da die Schulkinder sich in der Regel über jeden Besuch freuen. Als wir in der ersten Klasse ankamen, konnte ich feststellen, dass ich recht behalten habe, denn der Besucher war innerhalb von Sekundenbruchteilen von kleinen schwarzen Kindern umringt, die ihm begeistert ihre kleinen Hände entgegenstreckten. Obwohl die Schulbänke der Erstklässler für einen 25-Jährigen doch etwas klein waren, saß er zwischen den Kids und strahlte mit ihnen um die Wette. Als die Klasse dann noch ein Lied anstimmte, wusste ich nicht wer in dem Moment glücklicher strahlt - er oder die Kinder. Nach dem Vormittag in der Schule ging es dann nach Popenguine zum Strand. Mein Bruderherz Barth kam mit Teri nach, da er das erste mal seit Wochen wieder einmal den seltenen Drang verspürte bis 13 Uhr im Büro zu arbeiten. Das Wasser hatte im Gegensatz zu sonst auch eine angenehme Temperatur und so konnten wir die rießigen Wellen in vollen Zügen genießen. Dank der ganzen Euphorie habe ich mich sogar zu einem kurzen Strandlauf hinreissen lassen, was dazu führte, dass wir auch noch ein paar kleine wunderschöne Buchten entdeckten. Bei Abenddämmerung ging es dann zurück nach Hause, um uns für den großen Wochenendausflug zu erholen.

Unser Wochenendausflug führte uns nach Bandia, einen nahegelegenen Nationalpark. Nach dem Frühstück brachen wir am Gare Routier mit einem 7-Place Auto auf. Da das aber eigentlich an einen anderen Ort fuhr, wollten wir dem Fahrer mitteilen, dass wir auf etwa halber Strecke aussteigen wollen. Zu unserem Unglück verstand der Fahrer kein Wort Französisch und kannte auch den Nationalpark nicht. Mit Übersetzungsarbeit der anderen Mitfahrer konnten wir dann aber doch noch am richtigen Ort aussteigen. Am Eingang des Nationalparks angekommen, mussten wir an der Kasse wieder einmal den doppelten Betrag, als die Einheimischen zahlen. Hier im Senegal ist es oft so, dass Eintritte oder Überfahrten für Senegalesen mindestens die Hälfte billiger sind. Neben der Kasse wartete dann schon ein Guide mit einem rießigen Geländewagen auf Teri, Jonas und mich. Ohne einen konkreten Plan fuhren wir kreuz und quer durch das ganze Reservat und machten uns auf die Suche nach den Tieren, die sich frei auf dem Gelände bewegen können. Zu jeder Tierart bekamen wir dann eine kurze Erklärung und hatten ausreichend Zeit die Tiere zu bewundern und auch Fotos zu machen. Wir sahen letztendlich Schildkröten, Hyänen, Gazellen, Antilopen, Strauße, Büffel, Zebras, Rhinozeruse, Affen und Giraffen. Die Giraffen waren mit ihrer Schönheit und unglaublichen Größe wohl unser Highlight. Am Ende der Tour konnten wir dann in einem Restaurant direkt neben einem See mit Krokodilen essen. Auch einige Affen leisten hier den Leuten etwas Gesellschaft und einer der Affen hat sich glatt zu uns an den Tisch gesetzt und uns die Limetten aus den Getränken geklaut. Als Vorspeise gibt es inzwischen keine typischen Erdnüsse mehr, da die Gefahr zu groß ist, dass die Affen alles wegklauen. Wir fanden es natürlich ganz witzig, die Angestellten nicht. Den Abend verbrachten wir dann noch mit einem Spaziergang durch den Markt der nahegelegenen Stadt Mbour. Allerdings waren hier die Verkäufer noch aufdringlicher als in Thiès und wir machten uns nach einer kurzen Hafenbesichtigung auf den Heimweg. Teri musste sich ja schließlich auch auf ihre große Pilgerwanderung vorbereiten, die Samstag Nacht losging.

Für mich und meinen Freund ging der nächste Ausflug nicht nach Popenguine, sondern Sonntagmorgen in Richtung Dakar. Einen 50km-Marsch zwischen tausenden Wolof-redenden Senegalesen wollte ich ihm dann während seines kurzen Aufenthalt doch nicht zumuten. Vom Gare Routier aus machten wir uns auf den Weg in die Hauptstadt Senegals. Durch lange Wartezeiten bis sich das Taxi füllte, kamen wir erst am frühen Nachmittag am Hafen in Dakar an, von wo aus wir auf die berühmte Sklaveninsel "Île de Gorée" übersetzten. Nachdem wir als Weiße dreimal so viel wie die Einheimischen gezahlt haben um die Fähre überhaupt zu betreten und uns beim Ankommen auch noch Touristensteuer abgeknöpft wurden, konnten wir unsere Erkundungstour starten. Schon einige Meter weg vom Ufer, an dem sich zahlreiche kleine Restaurants befinden, kann man in kleine Gassen abbiegen, wovon keine Einzige wie die Andere aussieht. Durch die untschiedlichsten Häuserfarben und -verzierungen ist jeder noch so kleine Winkel schöner als der andere. Alle Straßen führen zu einem kleinen Berg mitten auf der Insel. Auf dem Weg nach oben konnten wir zahlreiche farbenfrohe Kunstwerke senegalesischer Künstler bewundern. Oben angekommen hatte man einen wundervollen Ausblick über die Insel und das Meer, sogar die Skyline von Dakar konnte man erkennen. Nachdem wir uns entschieden auch die Nacht auf der Insel zu verbringen, suchten wir uns einen Platz weitab der Verkäufer und konnten den Sonnenuntergang beobachten. Das kleine und irgendwie auch fast das einzige Hotel auf der Insel, für das wir uns dann entschieden, übertraf übrigens meine Erwartungen bei weitem. Was wahrscheinlich daran lag, dass es im Bad eine RICHTIGE DUSCHE MIT HEIßEM WASSER gab. Habt ihr überhaupt eine Ahnung was es für ein Gefühl ist nach 3 Monaten einmal heiß zu duschen?!

Nach dreimaligem Duschen und einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns am Montag morgen dann auf, um die Hauptstadt noch ein wenig zu erkunden. Beim Warten auf die Fähre mischten wir uns dann ausversehen unter eine Gruppe reiselustiger Kreuzfahrer, die ständig ungeduldige Blicke auf ihre Uhren warfen. Schließlich war es ja schon fast 2 Uhr nachmittags und man konnte es doch nicht riskieren Kaffee und Kuchen auf dem Kreuzfahrtschiff zu verpassen. Durch die tatsächliche Verspätung des Schiffes machten wir uns natürlich einen Spaß daraus die wartenden Rentner zu beobachten und uns wilde Szenarien auszumalen. Angetan hatte es uns vor allem der ältere Herr vor uns in der Schlange, der mit seinen weißen Segelsocken in den Trekkingsandalen ungeduldig hin- und her tippelte. Wegen seiner Ferrari-Kappe, die er wohl zum ersten Weltmeistertitel Schumis gekauft hatte, tauften wir ihn kurzerhand Ferrari-Fritz. Er war wie wir dann feststellten allerdings für längere Wartezeiten gewappnet, denn aus seinem ausgeblichenen Lederrucksack ragte ein Regenschirm, der ihn schützen sollte, falls plötzlich die Regenzeit über den Senegal hereinbricht. Gott sei dank war dies nicht der Fall und so kamen wir doch noch trocken und pünktlich zur Kaffeepause auf dem Festland an. Jonas und ich trennten uns dann von der lustigen Reisegruppe und spazierten durch eine fast ausgestorbene Stadt. Dadurch, dass ein Feiertag war und etliche Taxis in Popenguine gebraucht wurden, war kaum eine Menschenseele an den normalerweise meistbesuchtesten Plätzen und wir konnten in Ruhe einen Feiertagsspaziergang genießen. Ausklingen ließen wir den schönen Tag mit einem Besuch beim Wahrzeichen des Senegals. Unsere Diskussion, ob wir nur die Treppen hochlaufen, oder auch noch zum Kopf der Statue im Inneren erübrigte sich bei Ankunft, da die Mitarbeiter um 15:45 Uhr beschlossen, dass jetzt eine gute Zeit wäre um Mittag zu machen und sperrten kurzerhand für eine Stunde zu. Wir genossen dann noch eine Weile den Ausblick und machten uns auf den Heimweg nach Thiès, wo Teri und Barth schon warteten um uns von ihrem erlebnisreichen Wochenende zu erzählen.

Am Dienstag stand dann nochmal ein Tag Erholung am Strand an, diesmal ging es nach Saly. Ich würde ja gerne sagen, dass sich mein Besucher vor dem Heimflug noch etwas bräunen musste, aber der war inzwischen schon fast bräuner als ich.

Am Mittwoch, nachdem ich das letzte Mal für einige Wochen neben meinem Freund einschlafen konnte, stand nichts mehr auf dem Programm und langsam machte sich Abschiedsstimmung breit. Als schöner Abschluss der Woche diente noch der Besuch bei der Kindergruppe „Coeur Vaillantes“, die den dritten Toubab herzlich in ihrer Mitte begrüßte. Es dauerte nicht lange, schon hatten die kleinen Afrikaner ihre kleinen Hände in die von Jonas gelegt und tanzten mit ihm. Wieder einmal konnte ich mich nicht entscheiden wer glücklicher aussah – er oder die Kinder. Am Abend ging es dann zum Flughafen, wo ich mich schweren Herzens von meinem Liebsten verabschieden musste. Somit ging für mich die wohl schönste, spannendste und erlebnisreichste Woche im Senegal bisher zu Ende und jetzt heißt es „13 weeks done – 9 weeks to go“.

xoxo lena

 

POPENGUINE - 48 Km Pilgerwanderung &Camping

22Mai2016

Bei uns ist in letzter Zeit wirklich ziemlich viel los gewesen, deswegen haben wir uns auch so lange nicht bei euch gemeldet. Der stressige Schulalltag an unserer jeweils neuen Praktikumsschule brach wieder an und der Praktikumsbericht für die Uni musste fertiggestellt und abgeschickt werden. Dafür folgten gefühlt tausend Treffen und Telefonate mit Schulleitern und Pfarrern, um endlich an die gewünschten Informationen für unseren Bericht zu kommen. Wie das in Afrika so ist, geschieht leider alles auf dem letzten Drücker und erst nach zahlreichen Nachfragen. Außerdem kostete uns auch die Visa-Beantragung in den letzten Wochen viele Nerven und wir sind froh, wenn sich in nächsten Wochen alles endlich klärt.

Ich berichte euch nun von den für mich bisher aufregendsten aber auch anstrengendsten 2 Tagen meiner Zeit im Senegal. - Die Pilgerwanderung in das Dorf Popenguine am Pfingstsonntag.

 Jedes Jahr findet diese Pilgerwanderung vor allem für Jugendliche aus ganz Senegal statt. Zwar sind es nur die Jugendlichen, die die knapp 48 km nach Popenguine pilgern, jedoch kommen an diesen 2 Tagen auch alle Familien, Kinder und ältere Personen nach Popenguine, um dort zu beten und den Tag zu verbringen. Schon Wochen zuvor ging es selbst in meiner Grundschule in jeder einzelnen Klasse um kein anderes Thema mehr als um die bevorstehende Pilgerreise in den Marien-Ort Popenguine. Allein von meiner Praktikumspfarrei waren knapp 1500 Jugendliche vertreten, was wirklich unvorstellbar viel ist. Dazu kamen dann noch tausende von Jugendliche aus den umliegenden Dekanaten der Diözese Thies sowie aus allen anderen Diözesen Senegals. Schon seit circa 3 Monaten planen alle Jugendliche wöchentlich an diesem großen Event und fragten mich bereits mehrmals, ob ich teilnehmen möchte. Ich konnte mir damals noch nicht wirklich etwas darunter vorstellen, wusste aber, dass es etwas sehr großes und besonderes sein musste. Nun war dann der große Tag endlich gekommen. Ich wurde am Sonntag, um 2 Uhr nachts von Barth und Bernadette (unserer Köchin, die auch erst 20 Jahre alt ist) geweckt und wir zogen dann gemeinsam los in Richtung Cathedrale. Um 3 Uhr tummelten sich schon riesige Menschenmassen auf dem Kirchhof, der Großteil aller Jugendliche tanzten und aus Boxen tönte mega laute Musik. Die Afrikaner sind wirklich alles andere als Morgenmuffel und hatten es keineswegs nötig ihre Energie selbst vor so einem langen anstrengenden Fußmarsch einzuteilen. Dann gab es erstmal Frühstück. Die über tausend Jugendliche stellten sich der Reihe nach auf und ehrenamtliche Frauen der Pfarrei verteilten Baguette-Stücke sowie Milchpulver. Jeder Pilger hatte natürlich sein Plastikgeschirr selber mitgebracht. Bis diese ganzen Menschenmassen versorgt wurden dauerte es natürlich, und es wurde schon kurz nach 4 Uhr ohne das wir nur einen Zentimeter schon gegangen sind. Aber inzwischen bin ich das ja gewöhnt und hab ebenfalls die Ruhe weg:D. Um halb 5 Uhr pilgerten wir dann endlich los. Jeder Jugendliche war mit einem Pilgerausweis, den Essenstickets und einem bedruckten Pilgershirt mit passenden Bibelspruch ausgestattet. Der Großteil der Jugendliche ließ sich außerdem davor noch eine Pilgerhose mit einem passenden „Maria Mutter Gottes“-Stoff schneidern. (Wie bereits erwähnt fahren hier ja alle Katholiken krass auf christlich bedruckte Stoffe mit Heiligenfiguren ab) Betend und singend machten wir uns dann in der Dunkelheit auf zur ersten Station am Stadtrand von Thies. Dort wurden die circa 1500 Personen in 35 Gruppen eingeteilt. Leider war mein Bruder und auch alle anderen Kumpels von mir in einer anderen Gruppe als ich. In den einzelnen Gruppen mit circa 40 anderen Jugendlichen ging es dann wirklich los. Während der Wanderung wurden die ganze Zeit lautstark christliche Lieder gesungen und es wurde wild getanzt. Leider fast alles auf wolof, aber ich trällerte die Melodien einfach mit, damit mir während des Fußmarsches nicht all zu langweilig war. Neben uns fuhren Unmengen von Krankenwägen und Notärzte, Wägen mit riesigen Lautsprechern aus denen motivierende Worte und Musik tönte sowie Lastwägen befüllt mit Wasserflaschen, die uns den ganzen Weg über begleiteten. Immer wieder gab es kleine zwei-Minuten- Pausen, bei denen uns Wasserflaschen zugeschmissen wurden. Da ich wirklich die einzige Weiße war, bekam ich immer gleich doppelt so viele Wasserflaschen ab. Afrikaner sind ja an die Hitze gewohnt und nehmen sich grundsätzlich nie Wasserflaschen auf ihren Weg mit. Wenn ausnahmsweise Einer doch eine Trinkflasche in der Hand hält, wird er von seinen Freunden schon leicht belächelt und als „Toubab“ also „Weißer“ abgestempelt. Viele der vorbeifahrenden Autofahrer riefen mir als sie mich sahen verblüfft „Viel Glück“ zu und wunderte sich, warum sich ein „Weißer“ zutraut bei dieser langen Wanderung teilzunehmen. Mittags wurde es dann wirklich meeeeeeega heiß. Auf den engen sandigen Wegen gab es keinerlei Schatten, was zum Teil echt hart für mich war. Jedes Mal wenn ich meine Sonnencreme auspackte beäugten mich alle meine Gruppenmitglieder erstmal kritisch und wollten belustigt wissen, wofür ich diese brauche. Einige von ihnen haben noch nie etwas von einer Sonnencreme gehört und wussten nicht, das die Haut von „weisen“ Menschen tatsächlich rot werden kann. Unser Gepäck für die zwei Tage durften wir zum Glück davor ablegen und ich musste während der Wanderung nichts tragen. Ich war soo froh, als mich mein Bruder Barth immer mal wieder in meiner Gruppe besuchte um mich auf zu heitern und motivierte weiterzulaufen. Zum Mittagessen gab es für jeden ein Baguette gefüllt mit Zwiebeln und Pommes. ( Zwiebeln meine absolute (!!!) Leibspeise gibt es hier ja sowieso immer und Pommes sind hier komischerweise immer IM Burger statt daneben) Nach circa genau 12 Stunden Fußmarsch kamen wir dann endlich im kleinen Dorf Popenguine an. Der Endspurt, also die letzten 2 Kilometer sprinteten alle Pilger ins Ziel, um so schnell wie möglich anzukommen. Man wird von der Begeisterung aller Jugendliche so mitgerissen, dass man trotz vieler Blasen an den Füßen und Erschöpfung ebenfalls so schnell wie möglich ins Ziel rennt. Das war wirklich so verrückt, aber in diesem Moment war ich einfach nur glücklich und merkte keinerlei Müdigkeit, denn wirklich alle hatten den Ehrgeiz nicht aufzugeben, sondern als Gemeinschaft ins Ziel zu gelangen.

Dort angekommen traute ich meinen Augen kaum. Eigentlich kenne ich das Dorf Popenguine mit dem wunderschönen Strand ja schon fast in & auswendig, da Lena und ich dort wirklich sehr oft den Tag verbringen. Doch an diesen zwei Tagen hatte ich wirklich keinerlei Orientierung. Überall waren Verkaufsstände aufgebaut, Mauern wurden extra eingerissen, der Müll wurde entfernt, Plakate und Banner wurden aufgehängt und alle Jugendliche bauten ihre mitgebrachten Zelte in jeder noch einigermaßen freien Straße auf. Viele Jugendliche besitzen natürlich kein richtiges europäisches Zelt und nähten sich deswegen extra zu diesem Anlass ein Zelt aus leeren Reissäcken, um ein Dach über dem Kopf zu haben. In dem ganzen Dorf wurden Rosenkränze und andere religiöse Andenken, Klamotten, Obst, Fisch, Schmuck usw verkauft. Alle Straßen waren abgesperrt und es tummelten sich riesige Menschenmassen in jeder einzelnen kleinen Gasse. Barth hat zum Glück eine Cousine, die ebenfalls in Popenguine wohnt. Bei ihr konnten wir unterkommen und im ersten Stock des Rohbaus ihres Hauses unser Zelt aufstellen. Allgemein ist es so, dass in Senegal mehr als jedes zweite Haus noch nicht fertig gebaut ist und keinerlei verputzt ist. Oft geht das Geld aus und ein weiterer Grund ist, dass man hier erst mit einem fertig verputztem Haus mit Dach Gebühren zahlen muss. Somit versucht man mit allen Mitteln die Gebüren langfristig zu umgehen. In ihrem Haus hatte ich sogar die Möglichkeit gemeinsam mit anderen Senegalesinnen eine kurze „Dusche“ zu nehmen, was hier echter Luxus ist, da es für die anderen Camper auf dem normalen Zeltplatz keinerlei sanitäre Anlagen gibt.

Im Zelt schlief ich dann mit meinen zwei Brüdern Barth und Paul. Paul pilgerte zwar selbst nicht mit, aber reiste genauso wie eine Vielzahl von anderen Jugendlichen extra zu diesem Ereignis von Dakar aus an. Nach einem kleinem Schläfchen liefen wir zur Essensausgabe. Meine Füße waren vom Laufen mega angeschwollen und auch Barth hatte einige Problemchen, die er nun wirklich nicht mehr von mir verstecken konnte. Er meint zwar immer, ein Ninja zeigt keinen Schmerz, aber im Endeffekt lässt er sich natürlich gerne bemitleiden und pflegen. Wir beiden humpelten im Schneckentempo und schmerzverzerrtem Gesicht zum Zeltplatz und zogen deswegen natürlich tausende grinsende Blicke auf uns. Dann warteten wir genau 2 Stunden auf einen kalten Teller Bohnen. (Organisation Fehlanzeige :D ) Im gesamten Dorf gab es überall für umgerechnet wenige Cent verlockende Gerichte an Straßenständen zu kaufen. Aber Barth bestand auf die traditionelle Pilgernahrung. Zum Glück aß ich davon nur wenig, da Barth davon die ganze Nacht Bauchschmerzen hatte. Dann geschah es auch noch, dass natürlich genau mein Rucksack unter den 10000den von Rucksäcken zu Beginn ewig nicht aufzufinden war usw. Wer mich kennt weiß ja, dass ich wenn ich wirklich tot-müde bin alles total lustig finde und nur noch am Lachen bin. So war's dort auch. ;-)

Um 23 Uhr fing erst der Gottesdienst in einem Art riesigem „Rondell“ statt. In dieses Rondell passten jedoch nicht mal ein Viertel aller Besucher. Somit verteilten sich alle Jugendliche rundherum im Sand und hörten von weitem zu. Trotzdem waren kleine Bildschirme zur Übertragung und viele Lautsprecher aufstellt. Die Qualität war natürlich nicht mit deutschen Verhältnissen vergleichbar, jedoch bekam so Jeder wenigstens ein bisschen was vom Gottesdienst mit. Die meisten Jugendlichen schliefen aber auch aus Erschöpfung währenddessen ein. Der Godi dauerte mal wieder 2,5 Stunden, der Bischof und circa 50 andere Priester waren auch am Start. Nach dem Gottesdienst wollte ich eigentlich einfach nur endlich schlafen, aber Paul wollte unbedingt noch in eine „Bar“ gehen und „ ein bis zwei“ Bier trinken. Die Bar war ungefähr Welten vom Zeltplatz entfernt und Barth und ich mussten dem motivierten, fitten Paul humpelnd hinterher dackeln. In den „Bars“angekommen ( 5 Plastikstühle im Freien mitten im Nirgendwo im Sand) blieb es dann natürlich nicht bei ein bis zwei Bier. Jede 2 Sekunden trafen wir neue Leute und mussten mit ihnen noch einen Plausch halten und anstoßen. Ich schüttelte an diesem Tag mindesten 500 Hände und hatte noch nie so viel „Smalltalk“ wie an diesem Abend. In der dritten „Bar“ gab es dann deutsches Bier. („Codys“ hab ich noch nie im Leben gehört) Alle flippten natürlich völligst aus und es musste natürlich ausgenutzt werden. Normalerweise bin ich immer die Letzte, die heimgehen will, aber an diesem Tag war ich sooo tot. Da die Lieben mich immer auf Schritt und Tritt begleiten und beschützen konnte ich schlecht irgendwann schon einmal alleine zum Zelt zurück gehen. Um halb 5 war dann doch Bettgehzeit. Juhu. Das Budget meiner Brüder ist jetzt durch den nächtlichen Bierverzehr natürlich für das restliche Monat voll und ganz aufgebraucht. Was ich ultra schade finde, weil jetzt in den nächsten 16 Tagen nicht mal eine Taxifahrt für umgerechnet 1 Euro oder ein einmaliger Disco-Eintritt für 1,40 Euro drin ist.

Am nächsten Morgen wachten wir aufgrund der drückenden Hitze in unserem Zelt schon um circa 9 Uhr auf. Es war ein Heidenspaß meine Brüder beim Zähneputzen zu beobachten, weil sie das irgendwie nicht so drauf haben und es ungefähr eine Prozedur von 20 Sekunden ist. Wenigstens putzen sie Zähne, denn der Großteil aller Senegalesen entfernen sich lediglich durch das stundenlange Kauen auf einem Stock die Reste zwischen den ziemlich großen Zahnzwischenräumen. Genauso belächelten sie natürlich mich, während ich stundenlang?!! Zähne putzte. Dann gingen wir zu einer wunderschönen Grotte mit einer Marienstatue, wo alle Pilger Kerzen anzündeten und zusammen beteten.

Am Mittag kamen sogar mein Gastvater und meine Gastmutter nach Popenguine. Sie brachten eine riesige Kühltasche mit Essen mit und so machten wir mitten in der Menschenmenge im Sand ein Picknick. Vor Ort wurde dann erstmal in aller Ruhe angefangen die Gurken und Tomaten zu schneiden. Es gab wie fast immer Salat mit Pommes und Fleisch. Von allen Seiten kamen dann fremde Leute, die ebenfalls bei uns mitaßen. Das war wirklich schön. Doch daran, dass die waschechten Senegalesen alle mit der Hand in das Essen fassen, es dann immer erstmal zu einer Kugel formen und dann genüsslich verspeisen muss ich mich wohl immer noch gewöhnen. Am späten Nachmittag sollten dann die bereits organisierten Busse zurück nach Thies fahren. Doch leider war das wiedermal leichter gesagt als getan. Von allein unserer Pfarrei gab es ja schon 35 Busse. Ihr könnt euch also vorstellen wie viele Hunderte von Bussen alle kreuz&quer nebeneinander auf einem riesigen Feld standen. Barth und ich marschierten quer Feld ein wirklich 2 Stunden lang zwischen den Bussen hin&her, ohne dabei den Richtigen zu finden. Ich hatte keinen Handy-Akku mehr und er kein Guthaben. Für die Abfahrt des Busses war 17 Uhr vorgesehen. Um 19 Uhr erreichten wir dann unseren Bus. Jedoch waren wir nicht die letzten. Es fehlten noch weitere 11 Personen. Wie ihr euch denken könnt, sind wir suuuuper spät erst in Thies angekommen. Barth meinte, die Suche nach dem Bus wäre jedes Jahr das gleiche Problem. Nun frage ich mich schon, warum man nach so vielen Jahren nicht auf die Idee kommt, die Busse der Reihe nach aufzustellen und besser zu beschriften.

Diese 2 Tage waren einfach so verrückt und witzig. Aufgrund meiner Müdigkeit habe ich mich irgendwann wirklich über nichts mehr gewundert und hab die Senegalesen einfach mal selbst alles organisieren lassen, ohne meinen Senf dazu zu geben :D Gerade wegen den ganzen Strapazen und Schwierigkeiten bin ich soo froh, dass ich so ein cooles Ereignis erleben durfte. Im Nachhinein war es echt mit Abstand das schönste Erlebnis und die Erinnerungen an den Fußmarsch schweißen wirklich zusammen. Wenn alles immer perfekt laufen würde, wäre es ja langweilig. Außerdem bin ich inzwischen den senegalesischen Lifestyle mit dem vielen Warten ja gewohnt.

TR